Startseite > Monster am Wasser > Strategie am Wasser > Der magische Moment!
Der magische Moment! Drucken E-Mail
Geschrieben von: Uli Beyer   

Magischer Moment DämmerungFische sind manchmal wie Menschen – so richtig „unvernünftig“. Sie tun Dinge, die sie hinterher bereuen. Für uns Angler sind es diese phantastischen Momente, wo Räuber alle Ängste und Vorsicht vermissen lassen und häufig wie „geistesgestört“ auch unsere Köder attackieren. Ich vergleiche diese Beissphasen der Fische immer mit Schlussverkäufen oder ähnlichen Verkaufsveranstaltungen, zu denen sich auch bei uns Menschen im Nachhinein Katerstimmung (im Portemonnaie) auftut. So unbeherrscht sind Fische wie Menschen natürlich selten. Sonst wären wir Menschen alle Pleite und die Fische hätten deutlich öfter „Zahnschmerzen“ oder wären sogar tot (wenn sie beim falschen Angler schwach werden)...

 

 

Gewässer lesen für den Erfolg!Es ist meist eine große Kunst, die Gewässer so zu lesen und zu verstehen, dass diese Momente der unkontrollierten Fresslust von uns erkannt und effektiv genutzt werden. Nicht dass wir uns falsch verstehen, es geht nicht um stabile, normale und gute Beisszeiten. Wirklich verrückte Momente haben besondere Ursachen und sind viel seltener. Manchmal scheinen auch die kapitalen Fische von allen guten Geistern verlassen und spielen regelrecht verrückt. Abhängig von der Fischart und dem Gewässer können die Gründe für ein solches Verhalten vielfältig sein und werden sehr häufig von der Wassertemperatur und dem Eintreten besonderer Ereignisse gesteuert. Wer „sein“ Gewässer besonders intensiv beangelt, wird bestimmt auch solche Momente kennen. Wer deren Ursache erkennt, kann sich jedes Jahr wieder auf tolle Angelmomente freuen, denn häufig wiederholen sich diese scheinbar unerklärlichen Ereignisse...



Welche Momente gibt es allgemein?

Jeder Angler hat einige Phasen im Jahr, wo er mit besonders großer Anspannung und besonderer Erwartung ans Wasser zieht. Das klassische Beispiel dafür ist der Saisonstart, bei uns der 1. Mai, den sich die wenigsten von uns entgehen lassen. Die Masse der Räuber hatte sehr lange Ruhe vor uns und beißt häufig für einige Tage, manchmal auch Wochen ausgesprochen gut. Die Ursache dafür sind zwei Gründe:

Kapitaler Hecht im Frühjahr1. Fische sind auch „vergesslich“ und haben häufig die Vielzahl der unangenehmen Erfahrungen mit unseren Ködern vergessen. Es ist sozusagen unsere „neue, gute Chance“. Ich finde es immer wieder höchst erstaunlich, wie sehr schnell die Räuber sich dann doch wieder auf die Gefahren besinnen und höchst vorsichtig werden.

2. Nach der Laichzeit sind viele Räuber ausgehungert. Während des Laichgeschäftes wird nur an Liebe gedacht und in der Regel nichts oder nicht viel gefressen. Das Schonzeitende liegt häufig sehr kurz nach dem Laichgeschäft und damit haben wir einen „echt magischen Moment“ der Räuber. Fische, die wirklich hungrig sind, sind meist deutlich weniger wählerisch! Für Hechte liegt diese Zeit fast immer Mitte April bis Anfang Mai, in warmen Wintern aber auch schon mal im März. Fällt der Winter kühl und lang aus, so können wir in der ersten Maiwoche wirklich tolle Hechtfänge in Ufernähe erwarten. In milden Wintern sind die Hechte lange „durch“ und haben bereits Ende April ihren Hunger weitgehend gestillt.

Viele Angler beachten jedoch nicht, dass häufig auch große Fressorgien vor dem Laichen stattfinden. Um Laich anzusetzen und sich für die lange Fastenperiode ordentlich Kräfte anzufressen, finden häufig umfassende Raubzüge statt. Ich erinnere mich an einen Barschangeltag, an dem ich scheinbar keine Chance hatte, den Köder ohne kapitalen Barsch aus dem Wasser zu ziehen. Ein unvorstellbarer Moment, in dem ich mit dem Echolot über hunderte von Quadratmetern einen Teppich an versammelten Barschen entdeckt hatte, die sich im Tiefenwasser einer großen Bucht versammelten. Der Spuk war jedoch von einem auf den anderen Tag wieder vorbei.

Insbesondere die ersten Wärmeperioden vor der Laichzeit einer Fischart sind dann Momente, in denen die Vorsicht der Räuber deutlich reduziert ist. Angler müssen dann jedoch verantwortungsvoll sein, denn schließlich handelt es sich um die Elterntiere zukünftiger Fischgenerationen!

Achtung: Manchmal liegt die Schonzeit falsch und wir erwischen Räuber im Laichgeschäft. Gerade Zander-Männchen sind dann leider sehr leicht zu erbeuten. In der Zeit April/Mai bewachen sie besonders aggressiv das Gelege und attackieren so ziemlich alles, was sich in ihrer Nähe bewegt. Es ist wirklich keine Kunst, diese Männer vom Nest an den Haken zu locken und stellt einen großen Schaden für das Gewässer dar, da die nächste Generation Zander in Gefahr gebracht wird!

Auch Welse sind in der Laichphase sehr aggressiv!

In den verschiedensten Gewässern gibt es sie, diese „magischen Momente“. Häufig liegt die Ursache in einer plötzlichen Verbesserung der Lebensbedingungen unter Wasser! Viel Sauerstoff nach einer längeren Zeit ohne genügend Sauerstoff, das plötzliche Aufkommen eines besonderen Futterangebotes, welches die Fische besonders gern mögen oder auch die ersten Tage einer Normalisierung der Fressbedingungen nach einer ungewollten Fastenzeit sind die häufigsten Ursachen...


Welche Momente gibt es besonders im Fluss?

Trübe Suppe beim HochwasserIm Fluss sind solche Phasen meist schon mit dem bloßen Auge erkennbar. Bei uns in der Lippe gibt es seit vielen Jahren einen nennenswerten Forellenbestand. Im Frühjahr und Herbst kann man die Uhr danach stellen: Sobald das erste Hochwasser nach der Sommertrockenheit durchläuft, sind die Forellen da! Im Frühling ist es wohl das Hochwasser nach der Schneeschmelze, dass ein zweites großes Beißen einläutet. In der Zwischenzeit scheinen die Fische dann wieder spurlos verschwunden...

Immer, wenn nach einer längeren Trockenperiode „frisches Nass“ in den Fluss gelangt, entsteht eine phantastische Beißphase bei allen Fischen. Mir scheint, wie die wilden Tiere in der Wüste freuen sich auch die Fische im Fluss über den ersten Regen, der ihren Lebensraum wieder freundlicher gestaltet. Die Euphorie unter Wasser lässt alle Fische in der Anfangsphase sehr unvorsichtig werden. Ein erhöhter Futtereintrag durch eingespülte Insekten, Würmer usw. ist wohl ein zweiter Faktor, der zunächst kleinere Fische und damit die Räuber zu erhöhter, unkontrollierter Fressaktivität motiviert. Mit weiter steigendem Hochwasser ergibt sich eine zusätzliche, große Chance: Auch vorsichtigste Räuber müssen ihre gewohnten Lebensbereiche verlassen und in „Notbehausungen“ unterkommen. Dort, wo sie sonst stehen, wird es äußerst tief, dunkel und meist auch sehr stark strömend. Nach einer wilden Fressphase mit ansteigendem Wasser kommt eine 2. Phase mit tollen Fängen extrem-kapitaler Räuber meist mit Verzögerung. Dann, wenn einige Tage Hochwasser durch den Fluss zogen! Wenn das sehr hohe Wasser ruhiger wird und sich die Wassertrübung in den Mündungen zu den Nebengewässern und sonstigen Stillwasserbereichen des Flusses legt, dann kommt eine weitere Sternstunde. Dort, wo das klarere Wasser erkennbar wird, ziehen sich viele Räuber hin und schlagen sich die Bäuche wieder voll – sie mussten in dem trüben Chaos, sofern es lange genug dauerte, nämlich ordentlich hungern!

toller Flusswels

Ich habe dann besonders mit 2-teiligen Wobblern gut gefangen, die nicht allzu tief liefen (1-2,5 Meter). Meist steht der Räuber bei Hochwasser sehr flach im ruhigeren Wasser!

2-Teiler Rapala fängt Zander!Hochwasser ist oft ein magischer Moment!

Keinem Fliegenfischer brauche ich wahrscheinlich zu erklären, was das Schlüpfen der Mai- bzw. Eintagsfliege bedeutet. Es ist „der magische Moment“ aller Trockenfliegenfans! Die wilde Fresserei und Unachtsamkeit aller Salmoniden und Weissfische ruft aber auch hier die Räuber auf den Plan. Sie werden ebenfalls durch die leichte Beute (den fressenden, kleineren Fischen) deutlich unachtsamer und lassen sich leicht erbeuten. Ich erlebte einmal ein solches massenhaftes Schlüpfen am Rhein und fühlte mich wie in einem Science-Fiction-Film! Abgesehen davon, dass Strassen wegen des Insektenmatsches gesperrt wurden, spielten die Fische verrückt. Mit dem Schlupf fing der ganze Rhein an zu brodeln. Als hätte jemand auf einen großen, roten Knopf gedrückt, sprangen und jagten wohl alle Fische des Wassers an der Oberfläche. Klar, dass wir uns zunächst mit Gummifischen schwer taten. Mit flach laufenden Oberflächenwobblern konnten wir dann aber ausgezeichnet Zander fangen.

Trübe Suppe beim Hochwasser und es geht Schlag auf Schlag!Ein weiteres phantastisches Schauspiel bei auflaufendem Hochwasser erlebte ich im Spätsommer 2003 in Spanien am Ebro. Nach dem Hitzesommer mit großer Trockenheit fuhr ich erstmalig zum Spinnfischen an die Zuläufe des bekannten Welsflusses und erlebte ein Jagen und Fangen der absoluten Spitzenklasse. Mit dem Eintreffen des ersten Regenwassers im Fluss spielten die Waller verrückt. In absoluter Ufernähe und knietiefem Wasser konnte man Waller aller Größen bei völlig enthemmtem Schmatzen und Rauben erleben. Trotz der extrem trüben „Soße“ attackierten die Waller alles, was sich in die Nähe ihres Maules bewegte, so dass ich innerhalb von wenigen Tagen hunderte von jagenden Wallern sah und immerhin 26 von ihnen mit der Spinnrute überlisten konnte.

 

Häufig sind es aber auch gravierende Veränderungen im Strömungsverhalten, neue „Einläufe“ oder „Überläufe“, die eine besondere, unvorsichtige Beißerei einläuten. Wenn plötzlich eine zusätzliche Wehrklappe überströmt oder ein alter Umleitungsgraben durchströmt wird, so ist allergrößte Aufmerksamkeit angebracht. Fische spielen dann dort verrückt, insbesondere, wenn so etwas nach einer Hitzeperiode mit Sauerstoffmangel passiert.

 

Welche Momente im Kanal?

Fischen im Kanal geht es nicht anders. In unserem Datteln-Hamm Kanal heißt es immer: „Ohne Strömung geht nix!“ Das ist zwar übertrieben, aber wenn nach längerer Ruhephase das erste Flusswasser in den Kanal eingeleitet wird und dadurch die erste Strömung entsteht, so spielen die Fische verrückt. Gleiches gilt an Schleusen und sonstigen Einleitern. Wenn diese nach längerer Ruhezeit wieder für „fließend Wasser“ sorgen, so bedeutet das für uns Angler eine deutlich erhöhte Aktivität der Fische – speziell dort, wo das Wasser in den Kanal eingeleitet wird. Umgekehrt sei angemerkt, dass Sonntags, wenn die Schiffer ruhen, deutlich weniger Fische beißen.