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Die ideale Spinnrute - Seite 2 Drucken E-Mail
Geschrieben von: Uli Beyer   

Ich hab´ s wiederholt probiert und bin bei guten Bissen am fehlenden Drehmoment und abrutschenden Rutengriff gescheitert. Es mag sein, dass es Unerfahrenheit bei mir ist, weil ich diese „Dinger“ nicht gewöhnt bin, aber auch bei Anglern, die ausschließlich mit diesen Ruten fischen, habe ich dies Problem wiederholt beobachtet.
Kein Problem mit der Jacke...
Und ganz ehrlich: Wenn man sich etwas daran gewöhnt hat, den Rutengriff beim Angeln neben den Körper zu halten und den Arm stabil am Rutengriff anliegen zu haben, stört eine Jacke o.ä. gar nicht mehr. Mein ganz persönlicher Tipp: Kauft niemals eine Angelrute nach "Kataloggewicht", sondern nehmt die Angelruten immer vor dem Kauf in die Hand! Die Ausgewogenheit entscheidet, ob man einen "Tennisarm" bekommt, oder völlig "unbeschwert" und frei fischen kann. Wer die letzten 10 oder 20 Gramm Gewicht "sparen" möchte, sollte besser seine Armbanduhr absetzen, als die falsche, nämlich unausgewogene Angelrute zu kaufen!

Die Rutenlänge vor dem Rollenhalter

Die Rutenlänge vor dem Rollenhalter bringt die Aktion!Die Rutenlänge vor dem Rollenhalter legt den „Aktionsradius“ und die Beschleunigungsmöglichkeiten beim Wurf und Anhieb fest. Auch kann man mit längerer Spitze besser Distanz von lästiger Ufervegetation oder Hindernissen im Wasser halten. Besonders dort, wo entstehende Schnurbögen durch Wind, Strömung usw. Gift sind, ist eine längere Spitze vor dem Rollenhalter sehr entscheidend. Das weite Auswerfen, die Leichtigkeit der Schnurstraffung bei Wind und Strömung/Drift, aber auch die Köderführung werden mit der längeren Spitze besser. ABER: Natürlich wird die Rute auch schwerer und tendiert zur Kopflastigkeit. Besonders Angler, die gern mit der Rutenspitze nach unten jerken oder twitchen, finden längere Spitzen fürchterlich. Ich habe mir hier eine leicht seitliche Präsentation angewöhnt und komme deshalb auch mit unkonventionell längerer Spitze sehr gut zurecht! Dennoch bleibt das hohe Gewicht und die Massenträgheit der Rutenspitze, die mit der Länge zunimmt. Man muss hier sorgfältig abwägen, welche Vor- und Nachteile man mit den Längenunterschieden auswählt. Speziell bei den Baitjigger-Angelruten habe ich Ausgleichsgewichte für optimale Ausgewogenheit integriert. Trotz des etwas höheren Gesamtgewichts ist das Gefühl der Ausgewogenheit phantastisch!

In Deutschland setzte der Trend zur kurzen Jerkrute durch entsprechende Empfehlungen und Vorbilder ein. Bertus Rozemeijer und Henk Simonsz aus Holland haben das vorgemacht. Für viele Angler scheint es „unmöglich“ zu sein, mit langen Spinnruten zu jerken. Das ist in meinen Augen völliger Quatsch und manchmal ist die lange Angelrute sogar extrem von Vorteil! Ich bin regelmäßig mit sehr erfahrenen Jerkbaitanglern wie z.B. dem Altmeister Bertus Rozemeijer zum Angeln unterwegs. Er fischt ausschließlich kurze Top-Ruten mit Multirolle und fängt tolle Fische. Ich fische, häufig auch von ihm etwas belächelt, mit einer 2,70er Baitjigger-Spinnrute mit einem Wurfgewicht von 100 Gramm und einer Stationärrolle, die auch das Tüddeln beim Auswurf nicht 100 %ig ausschließt. Diesen kleinen Defiziten stehen aber enorme Vorteile entgegen!

1. Uferangler brauchen Distanz um mehr Wasserfläche absuchen zu können!

Angler mit kurzen Angelruten haben einen sehr eingeschränkten Aktionsradius! Werfen Sie einmal mit einer kurzen Spinnrute 40 und mehr Meter weit. Das ist schwer, teils sogar unmöglich. Und wenn Sie es dann mit viel Geschick doch schaffen, hat der Wind sich reichlich Schnur geschnappt und der lästige Bogen schluckt die Schlagenergie für den Köder – lediglich ein langweiliges Rucken und lustloses Gleiten kommt auf größere Distanz mit einer kurzen Rute zustande. Der Lauf des Köders kann mit einer kurzen Rute deutlich schlechter beeinflusst werden! Nehmen wir an, auch dies klappt: Vielleicht fällt auch darauf noch ein Hecht herein und schnappt den Köder. Weitere Schwierigkeiten müssen wir dann meistern, denn der sehr kurze Hebelarm einer sehr kurzen Rutenspitze und der vielleicht auch kurze Griffteil verhindern beide das kraftvolle Setzen des Anhiebs. Der Anschlag geht häufig ins Leere bzw. der Hecht schüttelt sich vom schlecht gesetzten Haken schnell wieder los! Spätestens hier macht die Rutenlänge vor und hinter dem Rollenhalter einen gewaltigen Unterschied. Gerade auf große Distanz ist die sehr schnelle Aufnahme loser Schnur extrem wichtig, um effektiv anzuschlagen. Weite Würfe sind mit einer ordentlichen Spinnrute mit 2,70 Metern Länge überhaupt kein Problem! Ich jerke teils auf 50 Metern Distanz, habe besten Köderkontakt, deutlich mehr Bisse und weniger Fehlbisse als Angler, die wie normalerweise üblich mit kurzen Ruten und kürzerem Handteil angeln! Die Stationärrolle an der längeren Spinnrute hat für viele Angler einen weiteren Vorteil: Sie wirft problemloser weit und nimmt die freie Angelschnur deutlich schneller wieder auf. Es entsteht dadurch ein deutlich direkterer Köderkontakt, der mit zunehmender Wurfdistanz immer wichtiger wird. Jeder Zentimeter Schnurbogen und fehlender Kontakt bedeuten Verlust an Ködergefühl und Kraft beim Anhieb!

2. Scheue Riesen…

Bei solchen Monstern muss alles stimmen!„Na gut, vom Ufer ist das akzeptiert“, werden Sie vielleicht denken und sich fragen, wieso ich „so blöd“ bin, das Angeln mit längeren Ruten(spitzen) auch vom Boot aus so zu praktizieren, wo doch mindestens dort die Vorteile einer kurzen Angelrute(nspitze) klar auf der Hand liegen. Zugegeben, wenn es um Bequemlichkeit und feinste Präsentationstechnik geht, sind kurze Angelruten besser und wer nach einigen Stunden mit der langen Angelrute Rückenschmerzen bekommt, freut sich über das kurze Reservestöckchen, das erhebliche Entlastung bringt. Wenn ich nach erfolglosen Angelstunden über Rückenschmerzen stöhne, habe ich natürlich alle Kommentare und Grinser bei mir! „Wieso angelst Du auch mit so einem blöden, langen Stock?“ Aber ich sage immer: „Wer fängt hat Recht!“ und es gibt einen gewaltigen Grund für die Benutzung langer Ruten auch im Boot. Ich erwähnte die tollen Fänge bereits: Im Sommer 2011 angelte ich mit Kunden im Rheindelta südlich von Rotterdam. Es waren viele Angler und einige teils sehr erfahrene Jerkspezialisten zur gleichen Zeit dort. Es flogen Jerkbaits, Spinner, Bull-Dawgs und andere Großhechtköder durch die Luft, aber die erhofften, kapitalen Fänge blieben bei den meisten Anglern, die allesamt Angelruten unter 2,40 Metern Länge fischten, aus. Anfänglich mussten wir uns dort auch belächeln lassen, weil wir wie gewohnt auf größere Distanz mit Jerkbaits, langer Angelrute und Stationärrolle in den gleichen Bereichen wie meine holländischen Kollegen fischten. Mein Fangergebnis in diesen Tagen sprach sich aber schnell herum, denn es war so phantastisch und unglaublich, dass ich plötzlich von verschiedenen Anglern angesteuert und ausgefragt wurde. 1,34 m ist auch in NL riesig!Wahnsinn im Rheindelta!
Wir konnten während unseres Aufenthaltes 6 Hechte über 1,25 Metern und bis zu 1,34 Metern Länge fangen. Gleich die ersten beiden Monsterfische wogen jenseits der magischen 40 lbs-Grenze.
Zugabe-Zander mit passender Baitjigger-Angelrute!
Als „Sonderzugabe“ gab es noch einen Zander mit fast einem Meter Länge! Glauben Sie da noch an Zufall und Anfängertechnik? Die Holländer kamen jedoch und hatten viele Fragen: „Wie machst Du das?“ „Ist das ein besonderer Präsentationsstil?“ „Hast Du besondere Köder?“ Ich bin sicher, dass es insbesondere das Angeln auf Distanz mit längerer Rutenspitze bzw. auch kraftvollem Handteil war. Dadurch hatten wir eine optimale Präsentationstechnik, was die Fische argloser zubeißen ließ, denn fast alle Großräuber fing ich auf Distanzen, die für normal-kurze Ruten grenzwertig oder zu groß waren! Zufall? Ich glaube das kaum! Sogar mein Freund Bertus Rozemeijer, der zwar nicht persönlich anwesend war, aber per Email und telefonisch mit mir in Kontakt stand, war regelrecht geschockt und akzeptiert inzwischen meinen eigenwilligen Angelstil Auch mit ihm gemeinsam im Boot konnte ich schon öfter mehr als mithalten und mindestens gleichwertig gut fangen! Vielleicht probieren Sie das auch einmal mit längerer Rutenspitze und kraftvollem Handteil, im besonders schlimmen Fall sogar mit einer Stationärrolle montiert?
Weitere, sehr sinnvolle Tipps zur Angelruten-Auswahl findet Ihr auch hier.

Ich wünsche Ihnen einen „fetten Vorsprung“ gegenüber den Kollegen und ein dickes Petri Heil….