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Raubfische lernen gut! Drucken E-Mail
Geschrieben von: Uli Beyer   
Viele Angler träumen vom unberührten See, den sie für sich allein als Angelrevier nutzen können. An solchen Gewässern sind die Fische völlig unerfahren und ziemlich „dumm“, deren Fang besonders einfach. Mit Vehemenz stürzen sie sich auf so ziemlich alles, was unsere Köderkiste hergibt und auch unterdurchschnittlich angelbegabte Petri-Jünger kommen dort schnell zum Fangerfolg. Leider gibt es solche Gewässer selten und bestenfalls irgendwo im Angelurlaub treffen wir solche Bedingungen an. Zu Hause in Deutschland sind die meisten Gewässer einem gewissen Angeldruck ausgesetzt und nur direkt nach der Schonzeit oder nach längeren Schlechtwetterphasen im Herbst/Winter kann man auf die Vergesslichkeit der Fische hoffen. Erwischt Ihr Euch nicht selbst auch häufig bei dem Gedanken zum heimischen Gewässer: "Lohnt nicht, da beisst nix..."? Es ist einfach nur anspruchsvoll, weil wir es mit einem "studierten Gegner" zu tun haben und Fänge zu Hause sind daher immer deutlich höher anzusehen als in irgendeinem fernen und unbeangelten Gewässer mit "dummen Fischen"...

Auch an stärker beangelten Gewässern kann man erfolgreich seinIn stärker beangelten Gewässern ist es deutlich schwieriger, einen Raubfisch an den Haken zu locken. Meist sagen viele Angler, dass ihr Gewässer „verblinkert“, „leer gefischt“ o.ä. ist. Das ist natürlich Quatsch, aber viel gelernt haben die Raubfische dort und reagieren deutlich weniger aggressiv auf unsere Köderofferten als anderswo. Die Kunst des Anglers besteht darin, die Lerneffekte der Raubfische zu kennen und zu umgehen. Erstaunt war ich z.B., wie „dumm“ die spanischen Welse vor einigen Jahren Pellets fraßen und wie leicht dutzendweise teils kapitale Fische damit zu fangen waren. Nachweislich war es anfangs wiederholt vorgekommen, dass gefangene Welse sofort wieder zum Futterplatz zurück schwammen und weiter fraßen, zum Teil 30 Minuten nach dem Fang wieder an einem Haken hingen. Nach 1-2 Jahren war dieser Spuk jedoch vorbei und die Fische hatten „gelernt“, frei liegende Pellets von Pellets mit Haken zu unterscheiden. Filme von fressenden Welsen unter Wasser bewiesen eindeutig, dass Futterteppiche leergefressen und Hakenmontagen mit Pellets mitten drin gemieden wurden. Haken machten diese Pellets etwas schwerer und riesige Welse „tasteten“ mit ihren Barteln vorsichtig jeden Pellet ab, bevor dieser eingesaugt wurde. Berührten diese „Metall“ (unsere Angelhaken), blieb der Köder unberührt liegen…

Auch Welse lernen sehr gut!Findige Welsangler modifizierten ihre Montagen so, dass die metallischen Hakenschenkel mit Kunstoff überzogen wurden und das Gewicht der teils großen Haken durch Auftriebskörper möglichst genau ausgeglichen wurde. Schon stellte sich der Fangerfolg wieder ein, denn nach wie vor fraßen Welse ja ausgesprochen gern die nahrhaften Pellets!

Barsche lernen besonders gut!Ähnliches Lernen können wir in der Spinnfischerei beobachten. Unerfahren Raubfische beißen ausgezeichnet auf „Überreize“. Besonders druckvolle, äußerst gut sichtbare und laute Köder werden mit besonders großer Aggression attackiert. Aber besonders Hechte und Barsche scheinen extrem schnell zu lernen und meiden schnell derartige Kunstköder. Spinner sind in vielen Gewässern sehr schnell „out“, weil sie von vielen Anglern zu häufig gefischt werden. Wer sich auf den Standpunkt stellt, „damit habe ich schon immer gefangen, die beißen heute blos nicht…“, wer stur seine alten Erfolgsköder und Präsentationstechniken beibehält, der wird schnell feststellen, dass „früher alles besser war“. Je mehr Angler mit gleichen Methoden und Ködern in einem Gewässer angeln, desto wichtiger ist es, den Lerneffekten unserer Lieblingsräuber zu begegnen, Fanghindernisse zu erkennen und zu vermeiden. Im Laufe der Jahre habe ich vieles entdeckt, was großen Argwohn bei Raubfischen erzeugen kann.

Was erzeugt Lerneffekte und Vorsicht bei Raubfischen?

Viele Angler und auch Wissenschaftler sagen ja, dass Fische eher primitive und wenig „lernfähige“ Wesen sind. Ob die Verhaltensänderungen jetzt echtes Lernen oder einfaches, klassisches Konditionieren (vgl. Konrad Lorenz) ist, vermag ich nicht zu sagen. Vorsicht bei Raubfischen wird aber durch verschiedenste Reize und Warnsignale erzeugt.

Fische sehen gut!

Fische sehen gut!Wie wir haben Fische sehr gute Augen, um Gefahren zu erkennen und potentielle Beute zu prüfen. Wohl nicht nur durch uns, aber auch durch uns ist schon die Annäherung ans Gewässer mit Vorsicht vorzunehmen. Große Schatten, die plötzlich auf´s Wasser fallen, sollten wir vermeiden. Vor allem kleinere Fische, die wir fangen möchten, haben schnell gelernt, dass „von außen“ häufig nichts Gutes kommt. Kormorane, Reiher, Katzen, Adler und Angler stellen alle eine Gefahr dar und bei wahrnehmbaren Schatten und Bewegungen außerhalb des Wassers gehen viele Fische sofort auf Tauchstation und ergreifen die Flucht. Es ist eine uralte Anglerregel: Ufernahes Angeln macht Deckung des Anglers dringend nötig. Als Alternative könnte man auch mit weiteren Würfen parallel zum Ufer dieser Scheu begegnen. Wer ohne solche „Vorwegwürfe“ ans Ufer trampelt, nimmt sich häufig gute Fangmöglichkeiten.

Stahl kann stark sichtbar sein. Monofil (unter dem Wirbel) ist im Klarwasser günstigerAber auch das Geschehen unter Wasser wird intensiv beobachtet und geprüft. Speziell bei Montagen mit dicken Vorfächern lernen die Fische schnell, dass „die dicken Strippen“ vor der vermeintlichen Beute mit Vorsicht zu behandeln sind. Räuber lernen schnell, wie unsere stärkeren Angelschnüre und Vorfächer aussehen und meiden diese, wenn sie zu stark sind! Wird in wenig beangelten Gewässern von den Fischen zunächst nicht genau hingeschaut und erst einmal reingebissen, lernen die Fische schnell, dass etwas mehr Vorsicht besser ist. Köder werden intensiver „beäugt“ und geprüft, bevor der Raubfisch zuschnappt.

Der Blick aus der Fischperspektive: Schatten von oben verschrecken den Räuber!Auch wenn auf einem Gewässer nur oder vornehmlich Angelboote verkehren, kann das zu einem Problem für Angler werden, denn der Fisch lernt, dass ein dunkler Schatten an der Oberfläche für die nächsten Minuten Gefahr bedeutet.

Licht wird an der Oberfläche gebrochenSind allerdings sehr viele andere Boote auf einem Gewässer unterwegs, so stellt der Schatten des Bootes gar kein Problem dar. Im Gegenteil, dann können diese sogar die Aktivität und Fresslust der Räuber erhöhen. Im Sommer 2015 habe ich am Möhnesee sogar selbst eine sehr schöne Lernerfahrung gemacht. Die starke Sonne ließ viele Fische Schatten suchen. Ich habe mich „im Nirgendwo“ ohne speziellen Anhaltspunkt mitten auf dem See verankert und gewartet. Nach einer Weile stellten sich Raubfische direkt unter das Boot in den Schatten und ich konnte diese wunderbar direkt unter dem Boot beangeln.

Aber auch aktiv könnte das Boot positive Effekte bei den Räubern erzielen: Kennt Ihr die Schleppangelei an extrem kurzer Leine in holländischen Poldern? Dort fahren viele Motorboote und erzeugen einen starken Sog in den schmalen Poldern. Kleinfische werden durch die Boote durcheinander gewirbelt und sind für Sekunden nicht in der Lage, sich gegen die Strömungen des Bootes zu halten. Raubfische, die mit diesem Sog wesentlich besser zurecht kommen, nutzen diese Momente, um leichte Beute zu machen und jagen bevorzugt genau im Sog der vorbei fahrenden Boote. Schleppangler haben festgestellt, dass man ausgezeichnete Fangergebnisse erzielen kann, wenn man wild-rappelnde Köder direkt 2 Meter hinter der Motorschraube präsentiert. Umgekehrt muss man anderswo möglichst weit entfernt vom Boot angeln, da die Raubfische mit einem Boot auch Gefahr verbinden können, wenn vornehmlich Angler auf dem Gewässer mit Booten unterwegs sind.