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Die verflixte 78... Print E-mail
Written by Uli Beyer   
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Alles begann mit Sven, als wir vorletzten Mittwoch eine schöne Angeltour unternehmen wollten. „Wohin fahren wir?“ war unser gemeinsames Problem. Zur Auswahl stand ein schwieriges und recht unbekanntes Gewässer und eine „Hausstrecke“ am Rhein, die wir zwar gut kennen, aber vornehmlich kleinere Fische hervorbrachte. Da wir von nachmittags bis zum nächsten Abend unterwegs sein wollten, beschlossen wir, zunächst einmal das schwierige Gewässer anzutesten. Was wir dabei erlebten, war anglerisch schon ziemlich deprimierend. Das Bötchen landete schnell im Wasser und das Wasser versprach eigentlich eine gute Angelei. Nicht zu trübe und viel Pflanzenwuchs deutete darauf hin, dass wir nicht nur gute Chancen auf Zander, sondern auch auf Hecht haben würden. Voller Optimismus begannen wir dort, wo Kollegen vor einigen Wochen zum Saisonstart tolle Zander fingen. Das Echolot war voll mit Fisch und wir angelten besonders konzentriert – ohne Biss! Nach einer Weile befanden wir: „Hier ist nichts! Wir müssen suchen…“

Mit dem Boot machten wir reichlich Kilometer und heizten über das Wasser. Hier nichts, da nichts – es war zum Mäuse melken! Wir waren bestimmt schon 2 Stunden ohne Biss und Fisch unterwegs, als wir ein anderes Boot entdeckten, das einen Fisch drillte… „Ein schöner Zander!“ stellte Sven fest, der mit Brille nicht so kurzsichtig wie ich ist. Zu unserem Erstaunen landete der Fisch in einer Kühlbox. Wir beobachteten weiter und mussten mit Entsetzen feststellen, dass diese Angler gleich mehrere Zander fingen und diese in eine Kühlbox wanderten. „Die haben lebendige Köderfische drauf!“ stellten wir etwas erleichtert fest. Zwar war die Schmach, neben einem fangenden Boot weiterhin Schneider zu bleiben, nicht mehr ganz so groß, aber eigentlich wurde alles noch schlimmer. Wir hatten einen Bereich gefunden, in dem offensichtlich Fische waren und wir fingen nichts auf unsere Kunstköder. Später am Abend, wir waren schon mit den Nerven am Ende und Sven ziemlich wütend, als er seinen Shad im D-Zugtempo einkurbelte und es passierte: Es rumste heftig in seiner Rute und ein großer Fisch riss im Schnur von der Rolle! „Was ist das denn?“ schnaufte er ziemlich erschrocken und drillte im letzten Abendlicht… Zum Vorschein kam ein stattlicher Rapfen, der unser Boot entschneiderte! Trotz des Überraschungsfanges und 2 Microbissen beschlossen wir, das Gewässer zu wechseln und diesen Versuch auf sich beruhen zu lassen. Wir wollten am 2. Tag ordentlich Fische fangen und objektiv wollten wir eine solche Pleite dann vermeiden. Schließlich hatte ich einige Tage später mehrere Guidings und die anreisenden Kunden erwarteten ordentlich Fisch! Also raus mit dem Boot und ab an das andere Gewässer mitten in der Nacht. 4.30 Uhr sollte der Wecker klingeln und wir mussten noch trailern, Zelte aufbauen usw. – ziemlich viel Hektik für einen Kurztrip, aber wir wollten ja noch ein paar Fischlein fangen!

Das Boot war gewässert, die Zelte verstaut und eigentlich war alles gut gelaufen, als wir am vorgesehenen Campingplatz ankamen. Im Dunkeln war ich mächtig froh, dass ich mir eines der neumodischen „Schnellaufbauzelte“ angeschafft hatte. Die Fiberglasstäbe sollten das Zelt eigentlich von selbst aufstellen, wenn man es sich nur frei entfalten ließe. Das passierte aber nicht – ziemlich verknubbelt blieb es stehen. Ich schob und machte, aber alles blieb knubbelig. „Mist – wir wollen doch schnell schlafen…“. Sven unkte noch: „Hier gehen doch reichlich Hunde her – so ein Haufen fehlt mir noch im Chaos hier!“ Svennie blieb verschont, aber bei mir roch es verdächtig und eine Kopflampe brachte Gewissheit! Mein Zelt stand mittendrin und durch meinen Stiefel war der ursprüngliche „Ablageort“ nicht mehr eindeutig festzustellen. Sven bekam einen Koller und wiederholte immer wieder: „Bitte nicht bei mir! Wenn mir das passiert wäre…“ So schlummerten wir mit richtigen Sch….-Gedanken dahin…

Der 2. Tag

Der Wecker klingelte und mit einer natürlichen Duftnote begann der 2. Angeltag. Endlich konnte ich auch feststellen, dass mein Zelt nicht nur eingesch…en, sondern auch der Boden verschmurgelt war. „Deshalb stellt sich das Ding nicht mehr auf…“ „Schwamm drüber – jetzt wird geangelt!“ Der Angeltag begann ordentlich. Schon am ersten Angelplatz rappelte es öfter und wir konnten neben einem schönen Barsch mehrere halbstarke Zander verhaften. Eigentlich verlief der ganze Tag „nach Plan“ und wir fingen insgesamt ca. 30 Fische. Eine bunte Palette an dicken Barschen, mittleren Hechten und Zandern. Der besonders dicke Ausnahmefisch blieb allerdings aus. „Naja, wenigstens kann ich den Guidingkunden etwas bieten!“ stellte ich noch auf der Rückfahrt fest…

Die Guidinggäste kommen…

Das Boot hatte ich sicher geparkt und am folgenden Wochenende begann die Tour dort, wo wir aufgehört hatten. Die neuen Gäste Bernd und Ralf wollten „erst mal sicheren Fisch“. Das klappte auch recht gut und wir fingen reichlich Zander, Barsche und Hechte. Wieder kein wirklich großer Fisch war dabei, aber immerhin angelten wir uns 35 Fische zusammen. „Das war doch richtig ordentlich!“ stellte Bernd fest und meinte: „Jetzt können wir doch ruhig auch mal dein schwieriges Revier antesten!“ „Oh je“ dachte ich, freute mich aber auch auf eine Herausforderung. „Wir sind doch nicht blöd und haben schon etliche Fische mit Kunstköder gefangen!“ machten wir uns Mut für die Herausforderung. Die Nacht war gut und wir haben im angemieteten Ferienhaus sehr gut geschlafen. Früh ging es erholt auf das Wasser. Im fängigen Bereich der letzten Woche hatten sich schon einige Angler eingefunden und die fingen auch reichlich Fisch – mit lebendigen Fischchen, die sie mit langem Vorfach und Laufblei bodennah schleppten. Wir standen dazwischen und fingen erst einmal nichts! Bernie verzweifelte schon und wurde mit seinen Köderofferten immer kleiner, als es bei ihm endlich rumste! „Ein guter Fisch!“ deutete sich über eine gute gekrümmte Rute an. Allgemeines Schmunzeln war angesagt, als eine fette Brasse – im Maul gehakt – zur Oberfläche kam. Bernd schüttelte den Fisch entnervt ab, fing aber kurze Zeit später wirklich einen Zander. Auch Ralf legte nach und langsam schossen wir uns auf diese schwierigen Fische ein. Nach einigen Stunden näherten sich die holländischen Boote uns, denn nach anfänglich deutlich besseren Fängen ließ es dort nach und wir wurden besser! „DER ist gut!“ rief Ralf plötzlich und seine Rute ließ auf einen wirklich guten Fisch hoffen. Ein Prachtexemplar von Zander (84 cm) zeigte sich kurze Zeit später an der Oberfläche und spätestens jetzt waren wir uns einig: „Gut, dass wir es hier probiert haben!“ Einen 80er Fisch später waren wir alle begeistert, Bernie und Ralf fragten schon nach neuen, möglichen Guiding-Terminen und meinten: „Sooo viele Großfische in so kurzer Zeit haben wir noch nie erlebt!“ Tatsächlich war die Durchschnittsgröße der Zander phantastisch, denn wir fingen an diesem Vormittag insgesamt zwar „nur“ 16 Fische, von denen aber keine 5 unter 60 cm waren! Sehr zufrieden fuhren die beiden mittags nach Hause und ich legte mich im Häuschen erst mal aufs Ohr. Die neuen Gäste René und Robert aus Wien sollten nachmittags ankommen. Sie wollten gleich vier Tage mit mir angeln.

1. Ausfahrt mit den „2 R“

Ich schwärmte René und Robert von dem tollen Fangerlebnis am Morgen vor und voller Eifer fuhren wir wieder an die Fangplätze. Es kam, wie es kommen musste… Kein Boot dort, keine Bisse – Totenstille! Mann war mir das peinlich. Ich sah aus, wie ein Dummschwätzer und nach einigen Stunden musste ich mir ein paar Lästersprüche anhören. Spät am Abend passierte es dann doch noch. Wir fingen jeder einen Fisch, unter anderem einen schönen 78er Zander. Zumindest konnten die beiden schon einmal nachvollziehen, dass die Durchschnittsgröße hier wirklich nicht so schlecht ist, aber irgendwie kam wieder das Feeling wie mit Sven auf, denn zwischenzeitlich waren auch wieder ein paar Holländer gekommen, die mit lebenden Köfis doch einige Zander aus der Tiefe drillten…

Am nächsten Morgen waren die Fische wie ausgewechselt! Plötzlich bekamen wir ordentlich Bisse und es landeten gleich mehrere 78er Zander im Boot. Wirklich, es ist kein Scherz, aber wir fingen deutlich mehr 78er als Zander um die 60 cm. Wenn einer von uns drillte, wurde schon lustig gefragt: „Ein kleiner oder ein 78er?“ Gegen 11 Uhr ließ die Beißerei dann deutlich nach und um 12.30 beschlossen wir, eine schöne Mittagspause einzulegen. „Jetzt haben wir sie ja im Griff und heute Nachmittag geht bestimmt wieder was!“

„Pustekuchen“ – der Nachmittag entpuppte sich wieder als sauschwer und wir angelten uns mit ach und Krach 5 Fische zusammen. Darunter ein schöner Hecht in der Abenddämmerung.

Am 3. Tag wurden wir deutlich mutiger und montierten nicht mehr sporadisch, sondern fast ausschließlich große Slotties in 15 cm Länge. Sowohl die Stückzahl, als auch das Durchschnittsgewicht wurden besser, wenn wir es auch nicht schafften, über die verflixte 78 hinaus zu kommen – fast – einige Hecht fiel aus der Rolle und war etwas über 90 cm. Wir beschlossen, den Abend im Flachwasser zu testen und konnten so unsere Fangquote an diesem Tag auf insgesamt 28 Fische steigern. „Mal eben“ waren in der Dämmerungsstunde 4 schöne Hechte darunter. Beide fischten schon ihre Fluowobbler und Jerks, die sie eigentlich für die Tour mit Bertus mitgebracht hatten. „Und ich habe keine Wobbler dabei!“ stellte ich mit Schrecken fest, als ein toller Fisch nach dem anderen im Flachwasser die Köder attackierte. Die Bisse kamen in 1,5 bis 2,5 Metern Wassertiefe knallhart und immer wieder beobachteten wir jagende Räuber, die klatschend sogar bis zur Oberfläche kamen. „Hier geht ja alles!“ waren jetzt auch Robert und René begeistert und wir freuten uns am Abend schon auf den nächsten Tag. „War es nur ein magischer Moment oder Dauerzustand?“ fragten wir uns, denn mein Anglers Edge zeigte maximale Beißerei an!

Der 4. Tag wurde anders, denn endlich kamen auch mal wieder zwei 80iger Zander zum Vorschein, als wir morgens einige besonders stattliche Fische mal wieder nachmaßen. „Es ist schon Wahnsinn, wenn 78er zum Normalzustand werden!“ Mit dem Know How der Vortage konnten wir mit weniger Angelzeit wieder 28 zumeist tolle Fische landen. Den krönenden Abschluss machte ein Meterhecht, der sich am Abend im Flachwasser zwischen die Zander mogelte. „Schwein gehabt, die gehen nicht nur auf Eure Wobbler“ dachte ich und freute mich über einen schönen Fisch. René und Robert waren ja schon öfter mit in den Bodden und meinten grinsend: „Wie Bodden, nur umgekehrt mit Hecht und Zander!“ und irgendwie musste ich ihnen Recht geben.

Der letzte Tag war nur noch ein halber, denn mittags sollte es wieder nach Hause gehen. Es zog leichte Bewölkung auf und wurde deutlich wärmer. Das schienen auch die Fische zu merken, denn plötzlich war an diesem Morgen deutlich mehr Leben im Wasser. Wieder begann eine „78er – Orgie“, als ein weiterer toller 80+ - Zander die Oberfläche durchbrach. „Wahnsinn – hierhin müssen wir möglichst bald zurück kommen!“ befanden die beiden, als wir mittags mit 25 Fischen unseren Angeltörn beendeten. Auch für mich ist klar: „Dieses Gewässer wird ein neues Sahneteilchen im Guidingprogramm!

Meine Statistik wies für diese Guidingtage insgesamt 157 tolle Fische aus.

Robert und René fuhren weiter zu Bertus Rozemeijer, der sie noch 2 Tage auf große Hechte am Ijsselmeer guiden wollte und wir freuen uns alle auf weitere, tolle Angelmomente an diesem Spitzengewässer. „Unglaublich, dass es so etwas heute noch gibt!“